Stauferstadt Eberbach
Von Dr. Marius Golgath
Das bedeutende Kaiser- und Königsgeschlecht der Staufer nahm im 13. Jahrhundert unmittelbaren Einfluss auf das Entstehen der Stadt Eberbach am Neckar. Dies ist durch mittelalterliche Urkunden, baugeschichtliche Befunde und die historische Forschung belegt, weshalb der 2022 durch die Stadtverwaltung gestellte Antrag für die Zusatzbezeichnung „Stauferstadt“ durch das baden-württembergische Innenministerium genehmigt wurde. Eberbach ist deshalb die erste „Stauferstadt“ in Deutschland, die dieses Prädikat erhielt.
Gründung der Stadt Eberbach durch König Heinrich (VII.)
Das Entstehen der heutigen Stadt Eberbach steht mit der ersten urkundlichen Erwähnung der Burg am 29. April 1227 in Verbindung, als der staufische König Heinrich (VII.) die Burg Eberbach und die Stadt Wimpfen als Lehen des Wormser Bischofs erhielt. Heinrich (VII.) gelangte als Mitkönig seines Vaters nicht zur selbstständigen Herrschaft, weshalb der Zusatz „VII.“ in Klammern steht.
Bei einem Lehen handelt es sich um die Überlassung von Rechten hinsichtlich Land und Gütern, womit sich ein König oder Fürst die Gefolgschaft von adeligen Lehnsmännern sicherte. Die Kirche konnte, wie im Fall von Eberbach, ihr Eigentum ebenfalls als Lehen vergeben. Aus diesem Grund kann Eberbach im Jahre 2027 das 800-jährige Jubiläum der Ersterwähnung der Burg unter Heinrich (VII.) und der danach erfolgten Anlegung der Stauferstadt im Neckartal begehen.
Die vorherigen Lehnsinhaber der Burg aus der Adelsfamilie von Lauffen werden zwischen 1196-1226 als Zeugen in Urkunden genannt, die sich nicht auf Eberbach beziehen. Es wird angenommen, dass es im Areal der heutigen katholischen Kirche und des „Gässels“ einen kleinen Burgweiler gab, dafür gibt es keine archivalischen oder archäologischen Belege. Bei der ersten schriftlichen Erwähnung der Burg Eberbach wird 1227 lediglich die Burganlage genannt.
Eberbachs Stadtgründer König Heinrich (VII.) war Sohn des staufischen Kaisers Friedrich II. und vertrat seinen Vater als Mitkönig in Deutschland während dessen Abwesenheit. Später zerstritten sie sich, weshalb Heinrich (VII.) nie zur selbstständigen Herrschaft gelangte und 1242 mit nur 31 Jahren in Gefangenschaft starb. Über die lokale Bedeutung der 1227 ausgestellten Urkunde schrieb der frühere Archivdirektor des Generallandesarchivs Karlsruhe Dr. Hansmartin Schwarzmaier: „Damit kommen wir zur ‚Magna Charta ‘ Eberbachs, jener Urkunde König Heinrichs vom 29. April 1227, die am Anfang der Eberbacher Stadtgeschichte steht“. König Heinrich (VII.) bildete den Ausgangspunkt für die Anlegung der Stadt Eberbach und gilt deshalb als unser Stadtgründer. Bisher war nicht bekannt, dass der württembergische Pfarrer und Historiker Karl Friedrich Jaeger aus Bürg dies bereits 1824 in seinem Reisehandbuch des Neckartals beschrieb:
„Um den Zweck der Beschützung der Neckarschiffahrt zu erreichen, trug im J[ahre] 1227 der Bischoff [!] von Worms, ein Graf von Saarbrücken, dem König Heinrich die Burg Eberbach zu Lehen auf, gegen Bezahlung von 1300 Mark Silbers. Als Bürgen für diese Bezahlung stellte der Schuldner den Rheinischen Pfalzgrafen Ludwig I., Leopold, Herzog von Oesterreich, Philipp von Bolanden und Philipp von Hohenfels. In dieser Urkunde wird nur die Burg Eberbach genannt; ein Beweis, daß damals das Städtchen noch nicht vorhanden war. Erst nach und nach siedelten sich unter dem Schutze der Burg am Fuß des Berges einzelne Fischer- und Schiffer-Familien an, die endlich, durch die Nähe der kaiserlichen Burg, sich städtische Rechte und Freyheiten [!] zu erwerben wußten“.
Der Hauptgrund für die Anlegung der Stauferstadt Eberbach im Tal ist in der damaligen Machtpolitik zu suchen. Eberbach lag im Einflussbereich der miteinander konkurrierenden Bistümer Worms, Lorsch und Würzburg, die das staufische Herrscherhaus mit Stadtgründungen zurückzudrängen versuchte. Zur staufischen Herrschaftssicherung ließ Heinrich (VII.) deshalb ab 1227 unterhalb der Burg Eberbach eine Stadt im Neckartal anlegen.
Die von den Staufern gegründeten Städte bildeten die Mittelpunkte der Verwaltung und militärischen Sicherung ihres Reichs- und Hausgutes, ähnlich wie bei den Zähringern und Welfen. Eberbach war für die nahe Kaiserpfalz in Wimpfen ein Vorposten der staufischen Herrschaft im Neckargebiet. Dadurch sollte die Territorialmacht der Wittelsbacher Pfalzgrafen im nahegelegenen Heidelberg eingeschränkt werden. Im Kontext dieser Königsmacht sicherte Eberbach den Zugang von den staufischen Besitzungen in Schwaben zu den nördlichen Pfalzen Frankfurt, Gelnhausen und Seligenstadt. Dr. Hansmartin Schwarzmaier hob Eberbach aus diesem Grund hervor: „Die Stadtgründung Eberbachs ist ein Anfang; mit ihr wurde im politischen Sinne Neuland erschlossen. Daß dies ganz im Zeichen der Staufer geschah, ist kein Zufall, und insofern ist Eberbach mehr ‚Stauferstadt‘ als andere Orte“.
Staufische Spuren auf der Burg Eberbach
Die Eberbacher Burganlage befindet sich auf der „Burghälde“, einem Ausläufer des „Katzenbuckels“ und besteht aus einer Vorder-, Mittel- und Hinterburg. Baugeschichtliche Studien des renommierten Mainzer Kunsthistorikers Prof. Dr. Fritz Arens haben den Nachweis erbracht, dass sich auf der Eberbacher Burg fast identische Säulenelemente befinden, wie in der staufischen Kaiserpfalz Wimpfen.
Dr. Hansmartin Schwarzmaier folgerte daraus: „Die Eberbacher Mittelburg mit [ihrem] an Wimpfen erinnernden Palas ist ein staufischer Bau im engsten Sinne“.
Dr. Ludwig H. Hildebrandt und Nicolai Knauer kamen zu demselben Schluss: „Die größte Ähnlichkeit mit Wimpfen haben die Arkaden-Fenster des Palas der Burg Eberbach. Die Form der Kapitelle, Schäfte und Basen gleichen denen in Wimpfen dermaßen, dass eine Eberbacher Säule in den Wimpfener Arkaden - bis auf die Farbe des Sandsteins - kaum auffallen würde. Die Königspfalz diente der Burg eindeutig als Vorbild. Vielleicht stammen die Arbeiten sogar von den gleichen Steinmetzen“.
Die etwa 1230 bis 1250 entstandene Hinterburg Eberbach wird als Sitz eines staufischen Dienstmannes gesehen. Die erstmals 1227 schriftlich belegte Burganlage Eberbach und die Anlegung der gleichnamigen Stadt im Tal haben somit einen unmittelbaren Bezug zum staufischen Adelsgeschlecht und der Kaiserpfalz in Wimpfen. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass die Instandsetzung der Eberbacher Burganlage durch den bekannten Architekten und Denkmalpfleger Josef Vassillière zu Beginn der 1960er-Jahre durchgeführt wurde. Als Stadtbaumeister von Bad Wimpfen hatte er die Restaurierung der Kaiserpfalz beaufsichtigt. Im Neckartal führte Vassillière auch Restaurierungs- und Umbauarbeiten an den Burgen Hornberg bei Neckarzimmern und Zwingenberg durch.
König Heinrich (VII.) weilte 1231 auf der Burg Eberbach, wo er in nächster Nähe der gerade entstehenden Stadt am 29. Juli eine Urkunde für das Zisterzienserkloster Maulbronn ausstellte, die heute im Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrt wird.
Stadtmauer und Altstadt
Die Staufer hatten ein Augenmerk auf Eberbach, da 1241 die Stadtbefestigung ausgebaut wurde, wie aus dem königlichen Reichssteuerregister hervorgeht. Eberbach wurde wegen des Baus der Stadtmauer die Steuerschuld erlassen, was ein weiterer Beleg für die nur wenige Jahre zuvor erfolgte staufische Stadtgründung ist.
Die Altstadt mit der historischen Stadtmauer umfasst ein relativ regelmäßiges Viereck von etwa 270 m auf 170 m. Der mittelalterliche Grundriss der Altstadt aus der Stauferzeit ist damit sichtbar, obwohl sich durch spätere Eingriffe die Straßenzüge veränderten. Prof. Dr. Fritz Arens erkannte im Stadtplan von Eberbach eine mittelalterliche Stadtanlage mit einem durchdachten Plan. Aus topografischer und kunsthistorischer Sicht pflichtete ihm der Heidelberger Rechtshistoriker Prof. Dr. Klaus-Peter Schroeder bei.
Der Pulverturm und der Rosenturm besitzen nach Dr. Roland Vetter ein Fundament, das auf die Zeit der staufischen Stadtgründung im 13. Jahrhundert zurückgeht. Der Architekturprofessor Ludwig Schweizer, der lange Jahre an der heutigen Hochschule für Technik in Stuttgart lehrte, ging 1972 in seinem Gutachten zur Altstadterneuerung ebenfalls auf die staufischen Bestandteile der Stadtbefestigung ein. Dr. Hansmartin Schwarzmaier schrieb dazu: „Aus der Reichssteuerliste von 1241 hatten wir geschlossen, daß die Eberbacher damals gerade mit dem Mauerbau beschäftigt gewesen waren, und in der Tat weisen die teilweise gebuckelten Sandsteinquadern in diese Zeit: an den Ecken, so beim Blauen Hut an der Ostecke der Mauer, sind gut behauene Buckelquadern erhalten. Insbesondere an der die Stadt im Süden abschließenden Mauer der Neckarfront hat man weitgehend den ursprünglichen Eindruck von der Stadtbefestigung, die – bei allen späteren Überarbeitungen – noch Bauteile der Gründungszeit aufweist“.
Das historische Fachwerkensemble des Wecker’schen und Bettendorff’schen Hauses ist in den Kontext der staufischen Entstehung der Stadt Eberbach einzuordnen. Beide Gebäude wurden im 15. bzw. 16. Jahrhundert errichtet. Die Funktion der Vorgängergebäude des Bettendorff‘schen Hauses („Hof“ genannt) als städtischen Sitz des Königs bzw. des königlichen Beamten reicht bis in die Gründungsphase der Stadt zurück. Dr. Hansmartin Schwarzmaier bezeichnete den „Hof“ deshalb als „Burg des Stadtherrn“ bzw. als „staufisches Stadtschloss“. Der „Hof“ ist eine Begrifflichkeit aus der Stauferzeit, die sich bis heute in Eberbach erhalten hat, obwohl er vereinzelt mit dem „Pfarrhof“ verwechselt wird. Später diente das auf dem Areal gebaute „Bettendorff’sche Haus“ als Wohnsitz der gleichnamigen Adelsfamilie und kam 1664, mit dem Erwerb durch den Rotgerber Franz Balde, endgültig in bürgerlichen Besitz.
Aus der Zeit der Anlegung der staufischen Stadtbefestigung im 13. Jahrhundert ist das Bettendorff‘sche Tor erhalten. Es diente als Stadteingang, der nur dem König und seinen Beamten vorbehalten war.
Ursprünge des Begriffs „Stauferstadt Eberbach“
Die Reisebeschreibung von Carl Friedrich Jaeger aus dem Jahre 1824 und seine Erwähnung der staufischen Stadtgründung wurden bereits genannt. Die Belehnung von Eberbach an Heinrich (VII.) wurde in der ersten Stadtgeschichte des Haßmersheimer Theologen Hermann Wirth 1864 beschrieben.
Es ist dem zwischen 1893-1927 amtierenden Eberbacher Bürgermeister Dr. John Gustav Weiss zu verdanken, dass die erste urkundliche Erwähnung der Burg Eberbach unter König Heinrich (VII.) und das staufische Erbe der Stadt in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rückten. Durch die Initiative von Dr. Weiss kam die Burgruine 1905 in städtischen Besitz. Im Anschluss wurde sie freigelegt und gesichert. Darum liegt der Ursprung der heutigen Wahrnehmung von Eberbach als „Stauferstadt“ in seinen Forschungen.
Dr. Weiss setzte sich dafür ein, dass die Eberbacher Bevölkerung einen Zugang zur Stadtgeschichte fand und sich mit der staufischen Historie identifizierte, was ihm mit seinem Theaterstück über den Stadtgründer Heinrich (VII.) und dem großen Festumzug zur 700-Jahrfeier im Jahre 1927 gelang. Bereits 1906 hatte es bei dem von ihm organisierten Umzug zur 100-jährigen Zugehörigkeit von Eberbach zu Baden (1806-1906) eine König-Heinrich-Gruppe gegeben. Als Beiratsmitglied des Verkehrsvereins (heutiger Bürger- und Heimatverein) war Dr. John Gustav Weiss in den 1920er-Jahren an den beliebten Theaterspielen und Festen auf der Burganlage beteiligt.
In dieselbe Richtung trug der aus Eberbach stammende Dichter Otto Michaeli
(1870-1941) zur Identifizierung der Einwohner mit den Staufern bei. Er war zu seinen Lebzeiten ein bekannter Dichter und rühmte 1927 in seinem „Jahrhundertgruss an Eberbach“ die „Kaisermacht der Hohenstaufen“.
„Kaisermacht der Hohenstaufen
hat die Mauern dir getürmt,
tolle Kriegswut roher Haufen
vielmals feindlich dich bestürmt.
Ob du stöhntest, tief gesunken,
hingestürzt zu Staub und Stein,
heute strahlst du frühlingstrunken
wie in Jugendmorgenschein“
Zur Förderung des Tourismus und der Verschönerung des Stadtbildes unterstützte die Stadt Eberbach früh Kunstprojekte mit Bezug zu den Staufern. In den 1930er-Jahren schuf der Eberbacher Künstler Richard Hemberger mehrere großformatige Wandgemälde (Sgraffito), darunter am Hotel „Zum Karpfen“. Das Kunstwerk kann heute noch bewundert werden und weist Szenen aus der Stadtgeschichte auf, darunter eine Darstellung Heinrichs (VII.) als Stadtherr, ein Gastmahl zu Zeiten der Staufer und eine Darstellung, die auf die staufische Gründung der Stadt Eberbach Bezug nimmt. Der Künstler Richard Hemberger setzte damit dem Stadtgründer eine bleibende Erinnerung am Alten Markt, die in jeder Touristenführung erläutert wird.
Endgültig etablierte sich der Begriff „Stauferstadt“ durch den Festvortrag von Dr. Hansmartin Schwarzmaier zur 750-Jahrfeier von Eberbach im Jahre 1977. Dies wurde durch die bedeutende Landesausstellung über die Staufer in Stuttgart begünstigt, die ebenfalls 1977 stattfand und Eberbach als Stauferstadt einem größeren Publikum vertraut machte. Die Verbindungen der Burg Eberbach mit der Kaiserpfalz in Wimpfen wurden in dem Stuttgarter Ausstellungskatalog thematisiert.
Die damaligen Feierlichkeiten zur 750-Jahrfeier von Eberbach mit dem mittelalterlichen „Altstadttreiben“ fanden großen Zuspruch und führten zu einer beispiellosen Begeisterung der Bevölkerung für das staufische Erbe. Der frühere Eberbacher Bürgermeister und heutige Ehrenbürger Horst Schlesinger sprach deshalb von der staufischen Altstadt.
Im „Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands“ von 1980 bezeichnete der Staatsarchivdirektor Prof. Dr. Meinrad Schaab, in dessen Zuständigkeit die baden-württembergischen Landesbeschreibungen lagen, Eberbach als Stauferstadt: „1227 mußte der Bf. [Bischof] die Burg gegen eine Geldentschädigung an Kg. [König] Heinrich (VII.) zu Lehen geben. Wohl gleich danach erfolgte die Gründung der Stauferstadt mit einem trapezförmigen Grundriß und einer Ummauerung, die zu wesentlichen Teilen noch erhalten ist“. In der Folgezeit verstärkte sich diese Wahrnehmung und schlug sich in weiteren Veröffentlichungen nieder.
Eberbach wird in der Metropolregion Rhein-Neckar als „Stauferstadt“ gesehen, wie die 2011 in Mannheim veranstaltete länderübergreifende Ausstellung „Die Staufer und Italien“ des Reiss-Engelhorn-Museums zeigte. In Zusammenhang mit dieser Ausstellung veröffentlichten der langjährige Generaldirektor des Museums Dr. Alfried Wieczorek und die Kuratorin Eva-Maria Günther den Band „Reiselust Stauferzeit“, in dem Eberbach als Stadt des Stauferkönigs Heinrich (VII.) als lohnenswertes Ausflugsziel vorgestellt wird. Die Burgenstraße, der Eberbach angehört, wirbt ebenfalls mit dem Prädikat: „Im 13. Jahrhundert gegründete Stauferstadt Eberbach, durch ihre herrliche Lage im Neckartal und inmitten der waldreichen Mittelgebirgslandschaft des Odenwaldes der ideale Aufenthaltsort für Naturliebhaber “.
Der identitätsstiftende Name „Stauferstadt Eberbach“ ist seit über 100 Jahren in der Bürgerschaft verankert und wird häufig in der Zeitungsberichterstattung sowie städtischen und touristischen Veröffentlichungen verwendet.
Traditionspflege und Erinnerung an die „Stauferstadt Eberbach“
In Eberbach gibt es durch das Bewusstsein der staufischen Stadtgründung seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die „Hohenstaufenstraße“ und die „König-Heinrich-Straße“. Nach dem Geländeerwerb durch die Stadt im Jahre 1911 und der Anlegung von Straßen, wurde ab Mai 1913 der sogenannte „Burghäldestadtteil“ erschlossen und ab 1918 bzw. 1926 erweitert.
Das 1963 eingeweihte Gymnasium trägt den Namen „Hohenstaufen-Gymnasium“. Durch engagierte Lehrer wurde früh begonnen, die mit Eberbach in Verbindung stehenden Urkunden von Heinrich (VII.) in den Geschichts- und Lateinunterricht mit einzubeziehen. Die erste Schülerzeitung des HSG trug dazu passend den Namen „Staufer“.
Die Burg ist über einen Rundwanderweg von der Altstadt aus und den Katzensteig, der von Eberbach über den Katzenbuckel bis Neckargerach führt, touristisch erschlossen. Die Stadt Eberbach ließ in Zusammenarbeit mit dem Naturpark Neckartal-Odenwald eine Informationstafel an der Burganlage aufstellen, die über die Verbindungen zu den Staufern informiert. Im Naturparkzentrum, das im über 600 Jahre alten Thalheim’schen Haus untergebracht ist, wird ebenfalls die Stadthistorie durch ein Modell der Burganlage und eine interaktive Karte des Odenwalds vermittelt.
In Kooperation zwischen der Stadt Eberbach, dem Kulturamt und der „Burglandschaft Spessart und Odenwald“, unter Leitung von Dr. Jürgen Jung, wurde ein Modell der Burganlage in Auftrag gegeben, das der Burgenforscher Nicolai Knauer mit neuen Erkenntnissen erstellte. Es ist seit diesem Jahr als Dauerleihgabe der „Vereinigung Burglandschaft“ im Museum der Stadt ausgestellt. Ein aktueller Burgführer ist über die Touristinfo Eberbach und die Vereinigung „Burglandschaft“ erhältlich.
Unter Federführung von Frau Dr. Sigrun Paas, der 1. Vorsitzenden des Museumsvereins Eberbach, wurde 2021 ein audiovisueller Rundgang durch die Ausstellung erarbeitet, der Besuchern ermöglicht, die Erläuterungen zur Burg, Stadtgründung und Stadthistorie via Smartphone per QR-Code aufzurufen. Damit wird die Geschichte von Eberbach der jüngeren Generation auf moderne Weise veranschaulicht, zumal die Beschreibungen für ausländische Besucher auf Englisch abrufbar sind. Zu den besonderen Ausstellungstücken des Museums zählen neben Reproduktionen von Siegeln und Urkunden aus staufischer Zeit auch Fundstücke der Burg Eberbach, darunter Säulenelemente des Palas. Durch ihre innovativen Ideen, leisten Frau Dr. Sigrun Paas und der 2. Vorsitzende Prof. Dr. Gerhard Rohr einen wichtigen Beitrag, die Historie der Burg zu vermitteln. Beispielsweise ist ein virtueller Rundgang durch die Burganlage geplant.
In Broschüren des Kulturamtes wird mit dem Motto „Entdecken Sie die Geschichte der malerischen Stauferstadt“ geworben. Die Stadt Eberbach bietet neben den regulären Stadtführungen, besondere Themenführungen an, darunter die Nachtwächterführungen von Eugen Emmig, Gunter Sokollek, Marc Schneider und Thomas Körlin. In historischen Kostümen vermitteln sie den Zuhörern die staufische und mittelalterliche Geschichte.
Jeden Sommer werden durch den Stadtförster Hubert Richter die beliebten „Ohrsbergturm-Führungen“ angeboten. Die Teilnehmer stehen auf der Aussichtsplattform und erhalten spannende Informationen zur Stadtgeschichte, wobei die staufische Gründung und die von dort aus gut erkennbare Stadtbefestigung erläutert werden. An den Führungen der Stadt und von Herrn Richter nehmen auswärtige Besucher und Touristen teil, wodurch der Begriff „Stauferstadt“ eine Außenwirkung entwickelt.
Das Stadt- und Verbundarchiv Eberbach verwahrt mit seinen Urkunden und Archivalien das historische Erbe. Archivbesucher können Einsicht in historische Urkunden nehmen oder sich in der Bibliothek über die Stadtgeschichte informieren, darunter befindet sich Spezialliteratur über die Staufer. Eine Besonderheit stellen die historischen Abhandlungen von Dr. Weiss über die Ausgrabungen an der Burg und seine Forschungen zur Stadtbefestigung dar. Besucher- und Schülergruppen bekommen bei einem Archivbesuch die Geschichte der Stadt vermittelt, wobei Abdrücke der Siegel von Heinrich (VII.) gezeigt werden.
Seit 1901 wird in dem von der Stadt jährlich herausgegebenen „Eberbacher Geschichtsblatt“ in regelmäßigen Abständen über die mittelalterliche und staufische Historie berichtet. Für den vorliegenden Band erforschte der Oberstudienrat a.D. Karlheinz Mai die Goldbulle König Heinrichs (VII.) und die Siegel seiner Ehefrau Margarethe von Babenberg. Rainer Hofmeyer berichtet in dieser Ausgabe über die Verleihung des Prädikats „Stauferstadt Eberbach“ durch den baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl im September 2022. Im Eberbacher Geschichtsblatt werden die Staufer auch zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Außerdem ehrte die Stadt Eberbach ihren Stadtgründer Heinrich (VII.) 1977 mit der Herausgabe einer Jubiläumsmünze, die dessen Königssiegel zeigt und als Vorlage für die Rückseite verschiedener Jahresmünzen diente.
Der seit Jahrzehnten regelmäßig verwendete Begriff „Stauferstadt Eberbach“ bietet durch die Erinnerungskultur zahlreiche touristische Möglichkeiten, um gezielt auf die Gründung Eberbachs durch König Heinrich (VII.) aufmerksam zu machen und dies mit den genannten Aktivitäten in die Zukunft zu tragen.
Zusammenfassung
Eberbach ist, wie von namhaften Historikern, Archivaren und Museumsdirektoren nachgewiesen, eine Stadtgründung des staufischen Königs Heinrich (VII). Das Ende der staufischen Herrschaft in Deutschland und ihr Erlöschen im Jahre 1268 führte in der Folge zur Verpfändung und dem Verlust der Eberbacher Reichsunmittelbarkeit. Die Stadt kam ab 1297, nach verschiedenen Verpfändungen, im Jahre 1330 an die Kurpfalz, womit die Historie der staufischen Gründung Eberbach als königliche Reichsstadt endgültig endete. Der Staufer Heinrich (VII.) spielt deshalb als Gründer eine außerordentliche Rolle in der Stadtgeschichte. Der bereits erwähnte Oberstudienrat a.D. Karlheinz Mai, der sich in mehreren Abhandlungen mit dem staufischen Erbe der Stadt auseinandersetzte, resümierte dazu: „Somit stehen die Staufer, deren Bedeutung für Eberbach füglich nicht bestritten werden kann, am Beginn der Stadtwerdung Eberbachs, und König Heinrich (VII.), der 1227 Eberbach als Burg und Wimpfen vom Wormser Bischof als Lehen erzwang, kann mit gewissem Recht als der Begründer dieser Entwicklung angesehen werden“.
Der Begriff „Stauferstadt Eberbach“ ist historisch gewachsen und durch die beiden Stadtjubiläen der Jahre 1927 und 1977 in der Bevölkerung verwurzelt. Eberbach wird deshalb in der Außenwahrnehmung als „Stauferstadt“ gesehen. Den Einwohnern ist das staufische Erbe bekannt und sie identifizieren sich damit mit Stolz, wie Herr Gymnasialprofessor Helmut Joho, der langjährige Schriftleiter des Eberbacher Geschichtsblatts, treffend formulierte: „Die historischen Veröffentlichungen von Dr. Wei[ss] sowie die restaurierte Burgruine gaben den Eberbachern eine eigene Identität, denn man wurde sich seiner Geschichte bewusst“.
Die Zusatzbezeichnung „Stauferstadt Eberbach“ hat eine positive Wirkung auf die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls und ist ein identitätsstiftendes Element für zukünftige Generationen, um die Erinnerung an den staufischen Stadtgründer König Heinrich (VII.) zu bewahren.
Ausblick
Die Vorbereitungen auf das nächste Stadtjubiläum sind im Gange und es finden regelmäßige Treffen statt. Die Stadtverwaltung Eberbach hat deshalb in Hinsicht auf das bevorstehende 800-jährige Stadtjubiläum im Jahre 2027 die Zusatzbezeichnung „Stauferstadt“ angestrebt, um den historischen Ursprung Eberbachs bereits im Vorfeld in den Mittelpunkt zu rücken und das Interesse an der Stadtgeschichte zu wecken.
Dies führte dazu, dass nach der erfolgreichen Verleihung der Zusatzbezeichnung „Stauferstadt“ die KG Kuckuck das Thema für ihre Kampagneeröffnung im November 2022 aufgriff. König Heinrich (VII.) zog mit seinem Gefolge in der Stadthalle ein und genehmigte nach verschiedenen Aufgaben persönlich das Prädikat „Stauferstadt“. Dabei durften die staufischen Herolde nicht fehlen, die seit dem Stadtjubiläum von 1977 bei offiziellen Anlässen regelmäßig auftreten.
Die staufische Historie von Eberbach wurde im Schuljahr 2022/2023 von Schülern des Hohenstaufen-Gymnasiums aufgegriffen. Beispielsweise befasste sich die 7. Klasse und 8. Klasse mit ihren Lehrern Till Weidenhammer und Michael Windorfer im Rahmen des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten mit der Wohnkultur in Eberbach, wozu die über 40 Schüler im Stadtarchiv recherchierten und sich u.a. mit dem Thema Mittelalter befassten. Mit Unterstützung der Stadt Eberbach, des Museumsvereins und des Stadtarchivs erarbeiteten die Gymnasiasten mit ihren Lehrern die interaktive Ausstellung „Wohnen in Eberbach im Wandel der Zeit“, die Bürgermeister Reichert am 8. März 2023 im Museum eröffnete. Er bedankte sich bei allen Beteiligten und lobte den Einsatz der Schüler: „Es mache ihn stolz zu sehen, wie das Interesse an der Geschichte und der Kultur einer Kleinstadt wie Eberbach, Alt und Jung zusammenbringe. Vor allem aber zu sehen, was durch Kreativität und Engagement entstehen könne“. Bei der Eröffnung waren die Vorstandschaft des Museumsvereins mit den beiden Vorsitzenden Frau Dr. Sigrun Paas und Herrn Prof. Dr. Gerhard Rohr, Frau Annkatrin Geißner von der Planungsabteilung des Bauamts und Stadtarchivar Dr. Marius Golgath, die das Projekt von städtischer Seite unterstützten, die HSG-Direktorin Anja Katzner, die Lehrkräfte, die Eltern, die Geschwister sowie die Großeltern anwesend. Die Ausstellung thematisierte u.a. die staufische Gründung und das Leben in der mittelalterlichen Stadt Eberbach. Die vom Bauhof 2019 gesicherten Steine der früheren Stadtmauer wurden dabei öffentlich ausgestellt.
Das Kulturamt unter Leitung von Tobias Soldner bot dieses Jahr zum ersten Mal Sonderführungen von Dr. Bernd Strey zu dem Thema Mittelalter an. Außerdem wurden die „Staufer“ am 10. März 2023, durch einen Vortrag von Stadtarchivar Dr. Marius Golgath, bei der Fortbildung der Stadtführer behandelt. Nach Auskunft von Frau Springer von der Touristinfo fällt den Touristen der Name „Stauferstadt Eberbach“ auf den Stadteingangsschildern auf und es wird häufig mit großem Interesse nach dem Hintergrund gefragt. Die überregionale Zeitungsberichterstattung über die Verleihung der Zusatzbezeichnung macht Eberbach als Stauferstadt bekannt, wodurch sich positive Effekte für die städtische Außendarstellung und Werbung ergeben.
Diese Initiativen vonseiten der Stadt, des Kulturamts, des Museums, des Archivs, der Schulen und Vereine zeigen, dass der einstimmige Gemeinderatsbeschluss von Februar 2022 die Zusatzbezeichnung „Stauferstadt Eberbach“ anzustreben, bereits kurze Zeit nach der offiziellen Verleihung im September 2022 das Interesse an den staufischen Ursprüngen deutlich steigerte. Dies ist in Hinsicht auf das bevorstehende 800-jährige Stadtjubiläum im Jahre 2027 ein gutes Zeichen.
Auszug aus dem Eberbacher Geschichtsblatt:
Marius Golgath, Stauferstadt Eberbach, in: Eberbacher Geschichtsblatt 122 (2023), S. 41-57 (mit Quellen- und Literaturangaben).
Weitere Literaturhinweise:
- Hansmartin Schwarzmaier, Eberbach als Stauferstadt [Festvortrag], in: Sonderheft 1978, S. 20-36.
- Karlheinz Mai, Eberbach und die Staufer, in: EG 86 (1987), S. 39-41.
- Rainer Hofmeyer, Eberbach wurde offiziell zur Stauferstadt, in: Eberbacher Geschichtsblatt 122 (2023), S. 58-60.
Landschaftliche und naturräumliche Gegebenheiten
Von Dr. Rüdiger Lenz
Die Stadt Eberbach, an einem weit nach Norden ausholenden Neckarbogen gelegen, besitzt eine fast 8.200 ha große Gemarkungsfläche und gehört zum Rhein-Neckar-Kreis. In urgeschichtlicher Zeit hat der Neckar im Verlauf der Odenwaldtektonik mehrere Male sein Bett geändert, was auf der Gemarkung Eberbach zur Entstehung von vier Umlaufbergen geführt hat. Von diesen ist das Breitensteingebiet um den 318 m hohen Schollerbuckel landschaftlich von besonderem Reiz, und es fällt einem schwer, sich vorzustellen, dass vor 1,5 Millionen Jahren der Neckar hier einmal vorbeigeflossen sein soll - etwa 130 m oberhalb seines heutigen Flussniveaus. Die Talflanken links des Neckars steigen von 120 m NN entlang des Hebart-Rückens bis auf 516 m NN an, und die rechts des Flusses gelegenen Talflanken erreichen auf der Hohen Warte 551 m NN. Sie setzen sich bis zur höchsten Erhebung des Odenwaldes, dem unmittelbar benachbarten, 626 m hohen Katzenbuckel, fort. Ackerbaulich gut geeignete Flächen in Eberbach beschränken sich auf das Schwemmland der Auen in den Talweitungen des Neckars und auf die begrenzten Hochflächen südlich des Stadtteils Unterdielbach, wo sich etwas Lösslehm abgesetzt hat. Ansonsten lagert dem Gestein nur eine dünne Bodenschicht auf, die nach wie vor mit Wald bedeckt ist. Mit seinem Waldanteil von beinahe 80 % der Gemarkungsfläche gehört Eberbach zu den waldreichsten Gemeinden in Baden-Württemberg. Der Wald besitzt als großräumiges Ökosystem mit vielfältigen Funktionen eine große Bedeutung, daneben wird er als Wirtschaftsgut (Holzgewinnung) genutzt. Eberbach profitiert noch in einer anderen Weise von seinen Wäldern: Die Stadt verfügt über eigene Trinkwasserquellen, aus denen Wasser bester Güte sprudelt.
Stadtgründung und Burgenbau
Von Dr. Rüdiger Lenz
Die wohl vor der Jahrtausendwende angelegte, bisher nur mit Indizien erschlossene ältere Siedlung Eberbach, die auf einem hochwasserfreien Hügel lag, befand sich am Schnittpunkt verschiedener herrschaftsgeschichtlicher Einflusslinien und markierte die Grenze zwischen den Bistümern Worms und Würzburg. Sie gehörte im 11. und 12. Jahrhundert zum Gebiet des Bischofs von Worms. Dieser ließ seinen an der Diözesangrenze zu Würzburg gelegenen Stützpunkt Eberbach durch Lehnsmänner herrschaftlich sichern. Auf einem langgestreckten Sporn, der sog. Burghälde, einem Ausläufer des Katzenbuckelmassivs, entstand die ältere der drei Eberbacher Burgen, die sog. Vorderburg, die 1196 der Wormser Lehnsmann Graf Konrad von Eberbach, ein Angehöriger des Geschlechts der Grafen von Lauffen, innehatte. Mit der im frühen 13. Jahrhundert auf politischen Druck der römisch-deutschen Könige aus dem Geschlecht der Staufer erfolgten Übergabe des Gebiets am unteren Neckar erhielt die Siedlung Eberbach eine bedeutende Aufwertung. Die bisher wormsischen Herrschaftsrechte besaßen nun die Staufer. 1227 erhielt König Heinrich [VII.], der Sohn Kaiser Friedrichs II., die bereits umgebaute [wormsische] Burg Eberbach als Lehen. Gezielt wurden unter König Heinrich [VII.] bei älteren Siedlungen Städte gegründet oder angelegt. Am unteren Neckar entstanden auf diese Weise neben Eberbach noch Neckargemünd und Mosbach. 1231 stellte König Heinrich apud Eberbach, vermutlich im heutigen Eberbach, eine Urkunde aus. Er gilt als Gründer der Stadt, die an verkehrsgünstiger Lage als Handelsplatz zwischen Neckar und Odenwald planmäßig errichtet wurde. Innerhalb der Stadt besaß er einen herrschaftlichen Hof mit umfangreichem Zubehör in der Gemarkung. Mit dem heute sog. Bettendorff´schen Tor verfügte er über einen separaten Eingang in die Stadt.
Eberbach leitet sein Stadtjubiläum von der Ersterwähnung der ältesten Eberbacher Burg 1227 her. Durch zeitweisen Erlass der fälligen Steuern, die zum Bau der Stadtmauer verwendet werden durften, förderte die Reichsverwaltung die werdende Stadt. Eberbach wird erstmals in einem Steuerverzeichnis, das um 1241 entstand, als werdende Reichsstadt erwähnt und umschloss ein rechteckiges Areal mit einer Längsseite am Flussufer sowie Türmen an den Ecken und bei den Zugängen. Die Ummauerung der Stadt geht in das 13. Jahrhundert zurück und wurde später vielfach ausgebessert, in den Fundamenten aber nicht verändert. Während die Tortürme im 19. Jahrhundert niedergelegt wurden, blieben vier Ecktürme erhalten; sie prägen noch heute das Bild der romantisch wirkenden Altstadt. Der Ostrand der Stadtmauer überstand ebenfalls alle Stürme der Zeit. Wegen der gleichen Bauweise, den verwendeten Quadersteinen, dürften der Rosenturm, der in der südöstlichen Ecke der Altstadt auf kreisrunder Fläche steht, zusammen mit den Fundamenten der Stadtmauer entstanden sein. Von den übrigen Ecktürmen reicht allenfalls der Unterbau des Blauen Huts und des Haspelturms noch in die Gründungszeit der Stadt zurück, der Pulverturm mit seinen beiden kurzwinkligen Schildmauern weist jedoch auf eine jüngere Entstehungszeit. Die beiden Hauptachsen der Stadt, die heutige Hauptstraße und die Kellereistraße, ehemals vor dem Ausgang aus der Stadt mit Untertor-, Obertor- und Neckarturm abgesichert, kreuzen sich am peripher versetzten Schnittpunkt Alter Markt. Ursprünglich bildete der Markt nicht das bürgerliche Zentrum der Stadt, stand doch das ältere, erstmals 1442 belegte Rathaus beim oberen Tor. Erst im späten 15. Jahrhundert leitete der Bau eines eindrucksvollen Rathauses aus Fachwerk, das auf einem wuchtigen Steinsockel stand und mehrere zweckbestimmte Räume hatte, eine funktionale Aufwertung des Marktplatzes ein. Die Händler konnten nun ihre Verkaufsstände (Hausverkauf war [noch] nicht erlaubt!) unter den Arkaden des Rathauses aufbauen. Ein weiteres Marktprivileg, das Pfalzgraf Otto II. im April 1484 verlieh, diente der Schuldentilgung für das neue Rathaus, unterstreicht aber gleichzeitig die Hoffnungen und Erwartungen, die man daran knüpfte. Vielleicht hing damit auch die Errichtung eines Neckarkrans, der nur einmal, 1499, erwähnt wird, zusammen. Das neue Rathaus begleitete über Jahrhunderte hinweg das Leben der Bürger und machte erst 1823 einem Nachfolger, dem heutigen Stadtmuseum, Platz. Die ältere Pfarrkirche mit dem Patrozinium St. Johannes blieb außerhalb der Stadtmauern (bei der heutigen katholischen Kirche). In ihr befanden sich mehrere Altäre, darunter ein Heilig-Kreuzaltar und ein Michaelsaltar. Außerdem gehörte eine Frühmesse zur ältesten Stadtkirche. Erst im frühen 15. Jahrhundert (seit 1426) wurde eine weitere Kirche, die sog. Marienkirche oder Liebfrauenkapelle, erbaut, die nun innerhalb der Stadtmauern, beim oberen Tor, stand (in der Nähe der heutigen evangelischen Stadtkirche St. Michael). Vermutlich ging auf diese Kirche die Funktion der älteren Pfarrkirche über. Die bisherige Kirche wurde aber wegen Platzmangels in der Altstadt als Friedhofskirche weiter genutzt. Zur Pfarrei zählten die städtischen Weiler Rockenau, [Neckar-] Wimmersbach, Pleutersbach und [Badisch-] Igelsbach.
Der mittelalterliche Mauerring war schon im ausgehenden 14. Jahrhundert ansatzweise durchbrochen: Im Jahr 1382 ist erstmals ein Haus außerhalb der Stadtmauern bezeugt, das am Fluss lag und dem Heilig-Kreuz-Altar gestiftet wurde. Im 15. Jahrhundert hatte die Stadt die Stadtmauer schon deutlich übersprungen – in Richtung des heutigen Neuen Marktes, wo das sog. Dörfel, die ältere Siedlung, vermutet wird. So sind Häuser vor dem Bronnentore [= ehem. Brunnen vor dem heutigen Rosenturm] und am Kirchweg bezeugt. Mehrere Mühlen lagen ebenfalls außerhalb der Stadtmauer, so vor dem unteren Tor, wo sich auch die seit 1438 als Loheheuser bezeugten Gerbereien befanden. Wegen Platzmangel begannen die Bürger, ihre Häuser über den Wehrgang hinweg auf die Stadtmauer zu setzen. Überkragende, d.h. in den Straßenraum hineinreichende Erweiterungen der Wohnfläche kamen schon vor, wurden aber noch bestraft. Seit dem frühen 17. Jahrhundert bildete sich bereits unmittelbar vor dem oberen Tor mit dem dreieckförmigen „Neuen Markt“ ein weiterer Schwerpunkt; ursprünglich hatte sich dort ein herrschaftlicher Grasgarten, der Weyergarten, befunden. Mit dem Neuen Markt wurde die bauliche Lücke zur Vorstadtsiedlung wohl geschlossen. Endgültig verlor die Stadtmauer ihre begrenzende Bedeutung allerdings erst im 19. Jahrhundert.
Das Bild der Altstadt weist einige bemerkenswerte Gebäude aus dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit auf, so der Bereich des ehemaligen königlichen Hofes (Bettendorff´sches bzw. Wecker´sches Haus), das Krafft´sche Haus und das seit 1427 belegte Thalheim´sche Haus am westlichen Ende der Kellereistraße sowie der Rest eines Bruchsteingiebels in der Binnetzgasse. Parallel zur Gründung der Stadt bauten staufische Dienstleute - vermutlich gegen den Willen des Bischofs - auf der Burghälde zwei weitere Burganlagen, die durch Einschnitte in den Felsen voneinander getrennt sind. Von ihnen steht die jüngere Mittelburg in auffälliger Frontstellung gegen die ältere wormsische Vorderburg, die nach einem Brand umgebaut wurde. Die Mittelburg dürfte im frühen 13. Jahrhundert entstanden sein, dagegen ist die sich anschließende Hinterburg baugeschichtlich schwer bestimmbar. Bereits 1403 ließen die Herren vom Hirschhorn, damals Pfandherren Eberbachs, die Burganlagen schleifen, diese wurden aber im frühen 20. Jahrhundert ausgegraben, rekonstruiert und teilweise wiederaufgebaut. Eine weitere Befestigungsanlage wird auf dem Ohrsberg vermutet.
Herrschaftsgeschichte des Mittelalters
Von Dr. Rüdiger Lenz
Nach dem Niedergang der Staufer, Mitte des 13. Jahrhunderts, wurde Eberbach als eine Stadt des Reiches von den Königen verpfändet – an Angehörige aufstrebender Adelsfamilien, die aus nördlicher, aus südlicher oder aus westlicher Richtung in den Eberbacher Raum eindrangen. Seit 1297 waren die aus dem heutigen Hessen stammenden Grafen von Katzenelnbogen Stadtherren. Im frühen 14. Jahrhundert übernahmen ihre Erben, die Herren von Weinsberg, diese Position. Aus deren Händen gingen Stadt und Zent Eberbach 1330 als Reichspfand an die rheinischen Pfalzgrafen, die aus ihrem Heidelberger Kernraum in östlicher Richtung entlang des Neckars vorrückten. Die Stadt und ihr Umland gehörten bis 1803 zur Kurpfalz. Nur zwischen 1410 und 1499 war Eberbach im Besitz einer pfälzischen Nebenlinie, die in Mosbach residierte. Die Kurpfalz versetzte Eberbach seit dem 14. Jahrhundert verschiedentlich an kleinere, niederadlige Geschlechter der näheren Umgebung, so an die Herren von Erligheim oder Hirschhorn. Beide Geschlechter waren in der Umgebung begütert. Niederadlige bekleideten zunächst alle herrschaftlichen Führungspositionen in der Stadt. Zu diesem Kreis zählten auch die benachbarten Herren von Zwingenberg, die in Eberbach einen Wohnsitz hatten und hier begütert waren.
Stadtverfassung und Zentralität
Von Dr. Rüdiger Lenz
Nach dem staufischen Niedergang dürften sich in Eberbach – wie in anderen Städten auch – autonome kommunale Organe herausgebildet haben. Im frühen 14. Jahrhundert werden die städtischen Organe definitiv bezeugt, denn die Existenz eines Stadtsiegels ist seit 1305 belegt. Ursprünglich besaß die Stadt vier Bürgermeister. Soziale Spannungen zwischen den bisher führenden bürgerlichen Schichten und nachdrängenden Zünften veranlassten vermutlich den Pfalzgrafen 1361, die Zahl der Bürgermeister auf zwei Amtsinhaber zu verkürzen, den Rats- und den Gemeindebürgermeister. Ihre Ämter wurden nach jeweils einjähriger Amtszeit anscheinend von und aus einem Kreis „ratsfähiger“ Geschlechter mit Billigung des Stadtherrn bestimmt. Im Rat saß schon im 15. Jahrhundert ein breiter Durchschnitt der Mittelschicht, Gastwirte, Kaufleute und Handwerker, ja selbst städtische Bedienstete wie etwa der Stadtschreiber. Nicht im Rat vertreten waren Ortsarme sowie Landwirte oder Ackerbürger, die es in Städten noch ursprünglich gab. Der Rat, der sich aus 12 Personen zusammensetzte, bildete gleichzeitig das Stadtgericht. Diese Form der Kollegialverfassung blieb bis in das frühe 19. Jahrhundert gültig. Die Stadt Eberbach mit ihrer direkten Lage am Neckar und den nutzbaren rohstoffreichen Wäldern der Umgebung hatte bestimmte Privilegien, vornehmlich Marktrechte, die seit 1328 belegt sind. Die älteren Eberbacher Urkunden und Privilegien sind nach Bekundungen der Bürger um 1340 verbrannt. Kaiser Ludwig der Bayer schenkte ihren Klagen Glauben und erneuerte 1346 die Stadtrechte nach Wimpfener Vorbild. Ob sie einen Bruch mit den seit 1328 belegten älteren Privilegien der Stadt bedeuteten, ist eine offene, noch ungeklärte Frage. Jedenfalls trat seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts schrittweise das sog. Wimpfener Recht an ihre Stelle, dass durch die Bemühungen und Anfragen der Eberbacher Organe beim Rat der Stadt Wimpfen mehrmals präzisiert wurde. Herrschaftliches Organ des Stadtherrn war der Schultheiß, ursprünglich ein Adliger, der bestimmte hoheitliche Funktionen ausübte. Noch im frühen 15. Jahrhundert hatten Adlige das Schultheißenamt inne. Doch schon kurz darauf besetzten Bürgerliche das Amt, das im 16. Jahrhundert zeitweise, seit dem Dreißigjährigen Krieg ständig mit dem Amt des Kellers, eines örtlichen pfälzischen Beamten, in Personalunion verbunden war.
Eberbach war Mittelpunkt einer seit 1360 bezeugten Zent, die sich vom Neckar bis in den Winterhauch erstreckte. Zu dieser gehörten neben der Stadt verschiedene Dörfer der näheren Umgebung, die einen gemeinsamen Hochgerichtsbezirk bildeten. Die Eberbacher Ratsherren waren als Mitglieder des Stadtgerichts gleichzeitig Zentschöffen. Nach der pfälzischen Inbesitznahme wird in Eberbach seit der Mitte des 14. Jahrhunderts ein herrschaftliches Amt erwähnt. An seiner Spitze stand ursprünglich ausschließlich ein Adliger, der meist von den hier begüterten niederadligen Geschlechtern gestellt wurde. Die Unterstellung des Amtes unter das übergeordnete [Ober-] Amt Mosbach wurde von den Pfalzgrafen der Mosbacher Nebenlinie veranlasst. Die nunmehrige Kellerei [= Domänenverwaltung mit eingeschränkten hoheitlichen Befugnissen] führte seit etwa 1430 ein Keller, der im Thalheim´schen Haus residierte. Der heutige Name der „Kellereistraße“ erinnert an diesen Amtssitz. Der Amtsinhaber der Kellerei bekleidete seit dem Dreißigjährigen Krieg zugleich auch die Stelle des Zentgrafen der Eberbacher Zent. Schon im 16. Jahrhundert nahm er zeitweise die Funktionen des Stadtschultheißen in Personalunion wahr. Zum Landbesitz der Stadt zählten die zur gleichnamigen Zent und Kellerei gehörigen Dörfer Rockenau, Neckarwimmersbach, Pleutersbach und [Badisch-] Igelsbach. Diese Dörfer, die – mit Ausnahme von Igelsbach – im frühen 19. Jahrhundert ihre kommunale Selbständigkeit von Eberbach erreichten, wurden wie Neckarwimmersbach, Igelsbach und Gaimühle im Zuge von Eingemeindungen Stadtteile von Eberbach, wozu im Rahmen der Kommunalreformen der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts noch Friedrichsdorf (mit Badisch-Schöllenbach), Lindach und Brombach kamen.
Bürgerliche Selbstverwaltung und Demokratisierung, Stadtentwicklung
Von Dr. Rüdiger Lenz
Durch den Reichsdeputationshauptschluss kam Eberbach 1803 zum Territorium der mit rechtsrheinischem Gebiet entschädigten Fürsten zu Leiningen. Zeitgleich mit der durch französischen Druck verursachten Auflösung des alten [römisch-] deutschen Reiches fiel die Souveränität über das leiningische Gebiet 1806 an das damalige Großherzogtum Baden. Nicht durch revolutionäre Umstürze, sondern durch staatlich verordnete Reformen wurden in Deutschland fortschrittliche Tendenzen verwirklicht. Im Rahmen des badischen Staates profitierte Eberbach von der antifeudalen, zunächst aber nur beschränkt liberalen Gesetzgebung, die zum Abbau althergebrachter Lasten und zum Ausbau moderner autonomer Selbstverwaltungsstrukturen führte. Die erste badische Gemeindeordnung von 1831 markierte den Wendepunkt. Nicht umsonst sympathisierten und unterstützten führende Kreise um den Weinhändler Theodor Frey, der aus der linksrheinischen - von revolutionären Ideen Frankreichs beeinflussten - Pfalz stammte, die Forderungen des gemäßigten Flügels der Revolution von 1848/49, ging es doch darum, neben der Herstellung der nationalen Einheit Deutschlands auch die wirtschaftlichen Nachteile aus der Grenzlage Eberbachs zu beseitigen. In Gegensatz zu Frey standen radikal-revolutionäre Gruppierungen um den Schmied Hiob Daniel Backfisch, die sich allerdings mit ihren Vorstellungen nicht durchsetzen konnten. Theodor Frey gilt auch als Initiator des Deutschen Handelstages. Er verkörperte im lokalen Bereich den Typus jener Schicht, die auf wirtschaftlicher Ebene im Bismarck – Reich zu den inneren Gründern des modernen deutschen Nationalstaates zählte. Frey erhielt 1894 das Ehrenbürgerrecht der Stadt.
Seit der Reichsgründung (1871) nahm Eberbach an der allgemeinen deutschen Entwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts teil. Tonangebende Schicht waren die örtlichen Nationalliberalen, die allerdings seit 1890 nur mühsam den Aufstieg der Sozialdemokratischen Partei zur stärksten Partei auf örtlicher Ebene kanalisieren konnten. Unter Bürgermeister Dr. John Gustav Weiss erhielt die Stadt ein modernes Gesicht, neue Industrien und weitere Stadtbezirke entstanden an der Peripherie. Die militärische Niederlage des Kaiserreiches am Ende des Ersten Weltkriegs führte zur parteipolitischen Zersplitterung der lange dominierenden Nationalliberalen, die nun in anderen Gruppierungen aufgingen. Schon in der Weimarer Republik errang die NSDAP, die Eberbach zu ihren Hochburgen rechnete, eine starke Position. Die Verfolgung durch das NS-Regime führte zur Zerschlagung der jüdischen Gemeinschaft in Eberbach bzw. zur Deportation nach Gurs in Frankreich. Am Ende des Zweiten Weltkriegs, im März 1945, erlitten Teile der Altstadt schwere Schäden durch Luftangriffe. Die 1901 erbaute Neckarbrücke wurde von abziehenden SS-Einheiten aus militärtaktischen Gründen gesprengt, aber schon ein Jahr nach Kriegsende durch Heben ihrer Trägerglieder wieder hergestellt. Die unter demokratischen Staaten praktizierte Völkerverständigung führte zur Vereinbarung kommunaler Partnerschaften. Seit 1961 pflegt die Stadt freundschaftliche Bande mit der französischen Stadt Thonon-les-Bains (am Genfer See) und seit 1976 mit der amerikanischen Gemeinde Ephrata, deren Entstehung auf den Eberbacher Auswanderer Johann Konrad Beisel zurückzuführen ist.
Wirtschaftliche und soziale Strukturen der Bevölkerung, Kulturelles Leben
Von Dr. Rüdiger Lenz
Wald und Fluss waren über Jahrhunderte hinweg die eigentlichen Lebensgrundlagen der Stadt gewesen, wobei die zerstörerische Kraft des Neckars, vor allem die Hochwasser, das Leben der Menschen nicht minder prägte. In Ermangelung geeigneter ackerbaulich nutzbarer Flächen diente der Wald über die Waldweide und die Hackwaldwirtschaft auch der Deckung des elementaren Lebensmittelbedarfes. Die Anfänge des Holzhandels lassen sich in den Chroniken bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Als Erwerbszweige sind neben dem Holzhandel vor allem die Flößerei sowie Schifffahrt und Schiffbau, in Zünften organisiert, zu nennen. Die große Bruderschaft, von Brudermeister[n] geführt, ist seit 1473 bezeugt. Später waren die Zünfte innerhalb des Oberamtes Mosbach organisiert. Aus den Flößern und Fischern entstanden als wichtige Eberbacher Erwerbszweige die Schiffer und Schiffbauer. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Eberbach zum Zentrum des Schiffbaues am Neckar, wo selbst Rheinkähne mit Nutzlasten von bis zu 250 t vom Stapel liefen. Auf dem Höhepunkt des Eberbacher Holzschiffbaues bestanden zu gleicher Zeit mehrere Werften. Gegen den später aufkommenden Bau von Schiffen mit Eisenrümpfen war man dann allerdings nicht mehr konkurrenzfähig. Heute wird die Schiffsbauertradition am Ort immer noch hochgehalten von einem geflüchteten Betrieb aus Königsberg/Ostpreußen, der Rennruderboote baut. Eberbacher Bau- und vor allem Brennholz wurde über den Neckar bis in den Rhein hinabgeflößt. Wirtschaftliche Bedeutung gewannen die Erzeugnisse der Niederwaldbewirtschaftung wie Gerberrinde - und für Eberbach in besonderer Weise charakteristisch - Haselstangen für das Reifschneiderhandwerk, einem Erwerbszweig, der in Baden nur aus dem hiesigen Raum bekannt war. Mit geographischen und topographischen Standortnachteilen hatte die Stadt schon immer zu kämpfen. Eine echte Oberschicht ist in Eberbach nur ansatzweise erkennbar, das Phänomen der Massenauswanderung zur Mitte des 19. Jahrhunderts erleichterte nur bedingt die Situation der verarmten Unterschicht. Für eine frühe Industrieansiedlung waren die infrastrukturellen Voraussetzungen ungünstig. Die erste Industrialisierungswelle setzte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein. Zu ihnen zählten Zigarren- und Zündholzfabriken, Rosshaarspinnereien oder verarbeitende Holz-, Eisen- und Metallwarenindustrien. Die Zünfte verschwanden, die Gewerbefreiheit löste alte Schranken auf, und die bisher vorherrschenden Schiffer verloren nun endgültig ihre dominierende Stellung. Die Inbetriebnahme der Neckartal-Eisenbahn (1879) und die Kanalisierung des Neckars in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts brachten für Eberbach neuen Auftrieb. Nach dem Ersten Weltkrieg siedelten sich Industriebetriebe in den Seitentälern, im Gammelsbach- und im Ittertal, an, vornehmlich der chemischen, pharmazeutischen und der elektrotechnischen Branche. Das Traditionsgewerbe der Steinhauer und der Neckartäler Hartsandstein haben als Wirtschaftsfaktor ihre Bedeutung eingebüßt. Auf dem Höhepunkt der Steinhauerei zählte man auf der Gemarkung 14 Betriebe, als der Sandstein in der chemischen Industrie guten Absatz fand. Der mit Abstand größte hiesige Arbeitgeber ist heute die auf dem Weltmarkt führende Unternehmensgruppe Gelita AG (ehemals: DGF Stoess), die in Eberbach ihre Firmenzentrale hat und als Produkte hochwertige Speise-, Pharma- und Fotogelatine anbietet. Weitere Eberbacher Unternehmen zählen zur elektrotechnischen und metallverarbeitenden Branche, zum Baugewerbe, zum Maschinenbau und zur Möbelbranche, einige von ihnen sind Firmen mit schon traditionell langjähriger Bindung an die Stadt. Auch das örtliche Kreiskrankenhaus gehört zu den größeren Arbeitgebern. Eberbach bietet bei einer Bevölkerung von knapp 15.000 Einwohnern derzeit ca. 6500 Arbeitsplätze.
Die Stadt ist im Landesentwicklungsplan als Mittelzentrum ausgewiesen, das sich in Verbindung mit Handel, Dienstleistern und in seiner Funktion als regionaler Schulstandort und als Dienstsitz mehrerer staatlicher Behörden in Konkurrenz zu den Oberzentren Mannheim und Heidelberg als attraktive Einkaufs- und Erlebnisstadt präsentiert. Großen Anteil daran hat eine sehr rührige Werbegemeinschaft der örtlichen Geschäftswelt. Mit ansehnlichen jährlichen Übernachtungszahlen hat sich der Fremdenverkehr als ein weiteres tragfähiges wirtschaftliches Standbein herauskristallisiert. Auf Tourismus und Einzelhandel wirkte sich die Altstadtsanierung förderlich aus, die seit Anfang der Siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts mit Unterstützung staatlicher Förderprogramme läuft. Mit erheblichen Zuwendungen des Landes wurde der historische Stadtkern restauriert und präsentiert sich heute den Besuchern und Bürgern als Fußgängerzone mit vielen malerischen Winkeln, Mauern und Gassen, die zum Einkaufsbummel und zum gemütlichen Kaffeeplausch einladen. In den letzten Jahren hat sich südlich der Altstadt mit dem Bau eines modernen Rathauses in unmittelbarer Nachbarschaft zur Stadthalle und zum evangelische Gemeindezentrum eine neue Stadtmitte entwickelt. An der hohen Attraktivität für den Fremdenverkehr haben die in Zusammenarbeit mit dem Naturpark "Neckartal-Odenwald", dessen Sitz sich in Eberbach befindet, angelegten Erholungseinrichtungen und Waldwanderwege wesentlichen Anteil, ebenso mehrere Museen, die sich z.T. in privater Trägerschaft befinden. Ein wichtiger Pfeiler des städtischen Kulturlebens sind die etwa 100 Eberbacher Vereine, von denen einige schon Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden sind oder ihre Ursprünge aus spätmittelalterlichen Organisationsformen herleiten. Ein traditioneller Höhepunkt im Jahreslauf ist und bleibt der regional bekannte sog. Kuckucksmarkt, der an ein altes Marktrecht anknüpft.